Donnerstag, 30. Oktober 2008

Anderes Schulsystem

Die Herbstferien habe ich in Südfrankreich, genauer gesagt in Perpignan, bei Freunden verbracht, die ich bei meinem Lehreraustausch 1984 kennen gelernt habe. Pierre ist schon pensioniert, aber Françoise arbeitet noch als Deutschlehrerin an einem Lycée. Da bleiben Lehrergespräche undVergleiche nicht aus. Der Reformwahn macht auch vor Frankreich nicht Halt, wobei die Situation noch dadurch verschärft wird, dass es in kurzer Folge neue Erziehungsminister gibt, die jeweils eigene Duftmarken setzen wollen. Tiefgreifende Reformen, die mit Mehrarbeit oder Statusverschlechterungen der Lehrer einhergehen würden, sind in Frankreich schwer durchsetzbar, da die Lehrergewerkschaften stark sind und die Streikfreudigkeit der Kollegen bekannt ist. Da sind schon mal im Abiturjahrgang sechs Wochen Unterricht ausgefallen, woraufhin - so das Gerücht - die Bewertungskriterien "angepasst" wurden. Jedenfalls vermittelt man auch in Frankreich jetzt Kompetenzen - wie schön, dass die europäische Einigung so zügig voranschreitet. 70-80% eines Jahrgangs machen Abitur und haben damit die theoretische Studierfähigkeit, können sich auch an einer Uni einschreiben (kein Numerus Clausus), aber nach dem ersten Studienjahr wird gnadenlos gesiebt und die Schüler mit den "weichen" Leistungsfächern haben statistisch gesehen das Nachsehen, während die leistungsstarken Mathematiker durchkommen. Die besten Schüler gehen sowieso nicht auf die Uni, sondern besuchen zwei Jahre lang Aufbauklassen, um dann an einer Aufnahmeprüfung einer der Eliteschulen teilzunehmen. Werden sie dort aufgenommen, haben sie ausgesorgt.

Bisher haben alle französischen Lehrer, mit denen ich über das Thema gesprochen habe, dringend vor der Einheitsschule (bei uns jetzt "Gemeinschaftsschule") gewarnt und auch von dem Niveau eines Abiturs, das fast jeder besteht, kann man eigentlich nichts halten. Müssen wir in Deutschland unbedingt das nachmachen, was bei anderen nicht funktioniert?

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